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Herbstfarben: die Korkspindel - bot. Euonymus alatus


In der Serie über Herbstfarben wurden bereits folgende Bäume porträtiert:

 

die Pappel

die Linde

die Kastanie

die Eiche

 

Der asiatische Korkflügelstrauch trägt auch den Namen Korkspindel, Flügel-Spindelstrauch oder geflügelter Spindelstrauch. Zur tieferen Bedeutung des Namens konnte ich nichts finden. Er ist verwandt mit dem europäischen Pfaffenhütchen, welches mich bereits im letzten Winter mit seinen zauberhaften Fruchtkörpern in Pink und Orange verzaubert hat. Doch das Pigment daraus war ein bescheidenes Grau und erst noch giftig, und daher nicht verfolgenswert. Für Drosseln, Rotkelchen und Elstern sind die Pfaffenhütchen aber ein leckerer Snack, weswegen sie auch "Rotkelchenbrot" genannt werden.

 

Finden

Mein Ziel galt eigentlich der Birke an meinem alten Wohnort am Sonneggring im Fischermätteli. Sie stand damals vor meinem Dachfenster, und ich schaute häufig ihrem Wiegen im Wind zu und wünschte mir, so biegsam und sicher verwurzelt zu sein wie sie. Diese Birke wollte ich porträtieren, doch auf dem Weg dorthin drängte sich der pinke Spindelstrauch dermassen in mein Bewusstsein, dass ich darauf reagieren musste und meine Absicht änderte. Was sich als richtig herausstellte, denn "meine" Birke war noch nicht bereit und hauptsächlich grün gewandet.

Der enorm leuchtende Farbton dieses Strauches bat mich so drängend darum, ihn zu porträtieren, dass ich eine Ausnahme machte. Ich hatte vor, nur über Bäume zu schreiben. Doch nun hat auch ein Ziergehölz Einzug in die Herbstfarbenserie gefunden. Ich mag es, meine Ziele – die ich lieber "Ausrichtung" nenne – den Impulsen, die mich erreichen, anzupassen.

Der Korkflügelstrauch ist in sehr vielen Gärten zu finden. Du erkennst ihn jetzt sofort an seiner aussergewöhnlichen Farbe. Wenn er die roten Blätter abgeworfen hat, ist ein weiteres Erkennungsmerkmal an seinen Ästen mit der graubraunen Rinde zu sehen: Diese haben kantige Flügel, die wie Leisten seitlich an den Zweigen angebracht sind.

Hier habe ich keine bestimmte Pflanze porträtiert, sondern die Blätter von den Trottoiren im Fischermätteli und im Eisenbahnerquartier von verschiedenen Sträuchern aufgesammelt.

 

Allgemeines

Der Korkflügelstrauch gehört zu der Gattung der Spindelbaumgewächse. Er ist ursprünglich in Japan und Zentralchina zuhause. Da die klimatischen Bedingungen dort den unsrigen gleichen, gedeiht er hier in jeder normalen Gartenerde problemlos. Er ist anspruchslos und daher beliebt. Allerdings benötigt er für sein pinkfarbenes Blätterkleid einen sonnigen Standort. Er erreichte eine Höhe von maximal zwei Meter und einen Durchmesser von bis zu drei Meter. Auch er ist giftig wie unser Pfaffenhütchen. Die Giftkonzentration in beiden Sträuchern ist bedenklich hoch. Das Netz gibt dazu diese Information preis: "Die Toxizität des Pfaffenhütchens war schon im Altertum bekannt. Der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrastus (371 bis 287 v. Chr.) soll den Blüten einen „nach Mord riechenden“ Geruch nachgesagt haben. Die alten Griechen ängstigte das toxische Potenzial der Pflanze derart, dass sie ihr zur Ablenkung eine harmlose Bezeichnung, einen Tabunamen, gaben. Mit Eunonymus, das sich von griech. eu = gut und onoma = Name ableitet und „von gutem Ruf“ bedeutet, sollten böse Dämonen, die für die Giftwirkung verantwortlich gemacht wurden, ferngehalten werden."

 

Das gibt jetzt gerade ein wenig ein mulmiges Gefühl, da ich doch mit dem Farbpulver der Blätter und dem Absud in der Küche herumhantierte (natürlich nur in einer eigens dafür reservierten Pfanne und mit hochtourig laufendem Abzug). Nun, nach meiner gestrigen Aktion geht es mir heute glücklicherweise gut und bei den Pigmentarbeiten, die noch vor mir liegen, nehme ich mir vor, aufzupassen.

 

Blühen tut der Spindelstrauch von Mai bis Juni; seine Blüten sind im Gegensatz zum Blätterkleid weniger spektakulär und wirken in ihrem gelbgrünen Ton wie eine Aufhellung der Blätterfarbe. Das Holz ist zäh und fein und wurde früher gerne zum Drechseln von Spindeln und Orgelpfeifen benutzt. Auch schätzten Schuhmacher das Holz als "Schuenegelistifte".

 

Feinstoffliches

Ich konnte keine Informationen zu der spirituellen Bedeutung des Spindelstrauches finden. Das mag daran liegen, dass die Pflanze nicht hier heimisch ist. Es ist denkbar, dass es in Japan und China sehr wohl Zuordnungen gibt.

Ich machte mich auch auf die Suche nach einer möglichen Heilwirkung, doch für die heutige Hausapotheke scheint der Spindelstrauch, bzw. das Pfaffenhütchen bedeutungslos. Im Mittelalter aber wurden pulverisierte Pflanzenteile auf die Kleider gestreut, um Ungeziefer fernzuhalten. Mit einem Fettstoff vermischt ergaben sie eine Salbe gegen Kopfläuse. Auch Aufgüsse zur Behandlung von Hautgeschwüren, Läusebefall und Krätze kamen zum Einsatz. Hildegard von Bingen (1098 – 1179) empfahl die Asche vom Pfaffenhütchenholz gegen Wassersucht. Es wurde weiter Tee aus der Rinde oder den Blättern als harntreibendes Mittel und gegen Herzschwäche und Kopfweh getrunken. Ob sich wohl deswegen meine Migräne bis jetzt stillhält?

 

Duftiges

Wie bemerkenswert: Es gibt genau ein einziges Parfum, das den Duftstoff des Spindelstrauches enthält! Und zwar "I Giardini di Venezia - Evonimo" von Rubeus, im 2021 auf dem Markt gebracht. Ein Unisexduft des bekannten Parfümeurs Rodrigo-Flores Roux, der unter anderem zahlreiche Düfte von Tom Ford kreiert hat. Der Spindelstrauch entfaltet in den venezianischen Gärten seinen Duftstoff (ob der jetzt nach Mord riecht?) in der Herznote, gemeinsam mit Mastixharz und Jasmin. Angeführt wird er von der Mandarine und den Knospen schwarzer Johannisbeeren. Während er in einem weichen Bett aus Vanille und Tonkabohne zur Ruhe kommt.

 

 

Farbiges

Das Geschenk dieser Pflanze scheint mir eindeutig der herbstliche Farbzauber zu sein. Die pinkfarbenen Blätter sind von grosser Reinheit. Farbkults Carminrot ist nah, auch Mylands FTT 006. Doch speziell gut fängt der Lake Red von Farrow & Ball das Kolorit ein. Aus den pulverisierten Blättern ergab es ein weiches Hellpink oder ein sattes Rosa, je nach Betrachtungsweise. Die Nuance ist so zugänglich, dass ich mich gerade etwas in sie verliebt habe. Wenn ich mich inzwischen nicht so gut kennen würde, wissend, dass mir ein dauerhafter Farbreiz bald zu viel wird, würde ich den Red Lake doch tatsächlich gerne an eine Wand streichen.

Der Farbsud aus den roten Blättern hingegen erzeugte ein lustiges Hellgrün. Die Arbeit mit Pflanzenfarben sorgt immer wieder für Überraschungen! Du siehst den Ton auf den Papierstreifen und auf dem Leinenstück in der Bildgalerie unten. Ein Phänomen, das in den Farben der Natur oft zu beobachten ist: Jede Farbe ist auch ihr Gegenteil. In diesem Fall enthält das Rote das Grüne. Faszinierend, findest du nicht auch?

 

Alles Liebe, Barbara

 

Schaue hier noch dem nächsten Herbstrot.


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