Rückblick 2022

Rückblick 2022


Was für ein verrücktes Jahr! Ein bewegtes, unstetes, anstrengendes und mühsames Jahr. Eine Odyssee und ein wilder Ritt. Zumindest 2/3 davon. Ganz ehrlich? Ich bin froh, geht es dem Ende zu. Der erhoffte Neubeginn zeigte sich erst gar nicht und schälte sich erst nach mehreren Irrwegen langsam heraus. Doch der Reihe nach:

 

Januar und Februar

Der Umzug nach Deisswil in den Bernapark stellte sich als die erste Fehlentscheidung heraus. Die alten Fabrikhallen und die Lofts gefielen mir zwar, doch mit den Menschen dort kam ich nicht zurecht. Es reihte sich ein Zusammenstoss an den anderen. Mir war bald klar, das war für mich kein Ort zum Bleiben. Etwas zerknirscht aber entschlossen machte ich mich wieder auf Wohnungssuche. Bereits gegen Ende Februar erhielt ich die Zusage für eine 1-Zimmer-Wohnung im Breitenrain.

 

Zudem arbeitete ich wie eine Verrückte an "waldtrunken!" und überforderte mich damit massiv. Alles andere kam zu kurz, und ich meinte, eine Tafel Schokolade und einige Tassen Kaffee seien ein geeignetes Mittagessen um im Flow zu bleiben. Ende Februar zwangen mich zahlreiche Schmerzen zu einer langsameren Gangart.

Seit dem 22. Januar duschte ich kalt und konnte damit die positive Wirkung kalten Wassers jeden Tag erfahren. Mein Geburtstag Anfang Februar wurde dann gekrönt von einem Kaltbad in der Worble bei 5,2°C. Mein diesjähriger Kälterekord lag aber bei 4,3°C.

 

März und April

Ich musste einen Nachmieter für mein Minilöftli suchen und wollte an "waldtrunken!" weiterwerkeln. Die Belastung nahm zu, und ich dopte mich mehr und mehr mit Zucker, Schokolade und Kaffee. Bereits am 19. März zog ich mit der Hilfe zweier Freunde um in den Breitsch. Ich vergoss tatsächlich ein paar Freudentränen, so dankbar fühlte ich mich, wieder in der Stadt zu wohnen. Ich hoffte, mehr zur Ruhe zu kommen, doch wie sich später herausstellen sollte, war das eine falsche Hoffnung. Ende April hatte ich eine Woche Ferien und gab mir Arbeitsverbot, damit meine Schmerzen vom Nähen in den Händen und Ellenbogen heilen konnten. (Was aber nicht passierte, die Schmerzen sind heute noch da und treue Begleiter geworden.)

 

Mai und Juni

Am 2. Mai sollte mein vorläufig letzter Haarschneidetermin sein, ich liess mir die Haare ganz kurz abscheiden. Danach war monatelang kein Geld mehr da für einen Coiffeur Besuch und das Geschenk ist nun, dass ich wieder einen Pagenschnitt trage. Nett, oder? Unangestrengter habe ich meine Haare noch nie wachsen lassen.

Zunehmend spürte ich eine Unzufriedenheit mit meinem Leben. Mir war nicht genau klar, an was das lag. Ich entschloss mich daher, alle zwei Monate das Coachingtool "Lebensrad" für mich selbst anzuwenden. So kam ich den Bereichen auf die Schliche, die am dringendsten einer Veränderung bedurften. Es stellte sich heraus, dass ich mit meiner Wohnsituation wieder nicht glücklich war. Nicht wirklich, oder? Erst versuchte ich es mit Optimieren. Doch natürlich blieb es lärmig (Strasse, Restaurant), heiss (grosse Fensterfront ohne Beschattung gegen Südwesten), und gefährlich (häusliche Gewalt und Schlägereien vor der Türe). Hier hatten wir den Fehlentscheid Nr. 2 und ich machte mich erneut auf die Suche.

 

Ich hatte einiges zu tun mit meinen Therapien: Ergotherapie für die Schmerzen in den Handgelenken, Fingern und Ellenbogen. Dann Physiotherapie für die Schmerzen im Knie, Fussgelenk, Kreuz und Nacken. Körperpsychotherapie für die Schmerzen an der Seele. Viel Pflicht, wenig Kür. Um aber einigermassen frohgemut durchs Leben zu gehen, muss Kunst ihren Platz haben. Wenn ich ihr den nicht gebe, nimmt sie ihn sich. Wie sagte einer meiner Partner mal? "Was deins ist, setzt sich durch" als Antwort auf die Frage nach meiner Berufung. Das habe ich nie vergessen.

 

Juli und August

Die Wohnungssuche war eine Plage für mich. Die meisten Besichtigungen fanden gegen Abend statt, genau in dem Zeitfenster, in dem es mir am schlechtesten geht. Ich musste mich mental sehr anstrengen, um bei grosser Erschöpfung und mit Migräne mit dem Velo zu Besichtigungen zu radeln. Doch mir war klar, ohne Besichtigung keine Wohnung. Und ohne Wohnung keine Ruhe.


Am 18. Juli besichtigte ich meine jetziges Wohnigli in der Berner Altstadt und kam bereits zwei Tage danach den Zuschlag. Ich war happy! Allerdings hatte ich auch etwas Furcht, wieder eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Doch es sollte sich herausstellen, dass die Wahl das Mal eine richtig gute war. Am 2. August zog ich mit Hilfe einer Umzugsfirma um und landete sanft am Nydeggstalden 20. Ein Balkon mit Aaresicht und die absolut ruhige und trotzdem zentrale Lage waren ein enormes Geschenk, für das ich nach wie vor grosse Dankbarkeit verspüre.

 

Parallel dazu arbeitete ich weiter an "waldtrunken!". Ich spürte aber, das Projekt war am Ausklingen. Dafür war ich froh. Denn diese Arbeit war so zeitintensiv wie noch kein Projekt in meinem fast 30jährigen Kunstschaffen. Es war unfassbar schmutzig: Die Pflanzenteile mit der Mühle in der Küche zu Pigment vermahlen erzeugte ein staubiger, teilweise sogar giftiger Niederschlag. Die Bearbeitung mit der Nähmaschine krümelte den Motor derselben und meine Wohnung voll. Im ganzen Studio verteilt lagen und hingen bröselnde Pflanzenteile zum Trocknen. Ich putzte ungelogen nach einer Arbeitssession 3h, bis ich meinen Wohnraum wieder auf null gestellt hatte. Es war gut, dass das alles zu einem Ende kam, da ich nicht dauerhaft in einer Atelierstimmung wohnen wollte.

Am 20. und 21. fand meine Ausstellung am Nydeggstalden statt. Es war eine Freude für mich, so vielen interessierten BesucherInnen mein Wirken näher zu bringen. Danach war Schluss und das war gut so. Ich hatte meine Wohnung zurück.

 

September und Oktober

Der September stand im Zeichen der Selbstfürsorge, ich nahm an der Selbstliebe-Challenge bei Christian Hemschemeier teil. Die täglichen Aufgaben machten Spass und waren eine feine Streicheleinheit für meinen Körper und meine Seele. Mein Selfcoaching brachte hervor, dass Hinweg-Ziele wirklich nicht umsetzbar sind und nur zu Frust führen (weniger Schokolade, weniger Zucker, weniger Kaffee). Mein schlechte Stressangewohnheit hatte sich nämlich verselbstständigt und ich wollte davon wieder loskommen. Ich erkannte, es braucht mehr vom Guten (und nicht weniger vom Schlechten).

Ich kam richtig an in meiner Wohnung, fand mehr Ruhe, konnte langsamer machen und nach diesen wilden Monaten endlich verschnaufen. Ich spürte nun deutlich, wie bodenlos erschöpft ich war. Wenn ich meine Energien dermassen runtergerockt hatte, das wusste ich aus Erfahrung, würde es etwas länger dauern, bis ich wieder ein gutes Level haben würde.

Mitte September zeigte ich meine Arbeiten in einer Gruppenausstellung in Utzenstorf. Ich machte einen kurzen inkognito Besuch, mehr wäre zu viel gewesen.

 

November und Dezember

Endlich kam ich etwas in ruhigere Gewässer. Ich liess das neue Projekt fürs 2023 in mir reifen und schwor mir, keine solche Riesensache mehr zu fabrizieren, die ich fast nicht schaffen würde aber sie mich. Das zukünftige Künstlerlen musste einfach sein, natürlich und kreativ und mein Sein im Jetzt unterstützen. Welche Idee ich verfolge, siehst du da.

Ende November machte ich ein Froue-Zmorge. Es war schön, eine durchmischte Auswahl meiner Freundinnen an meinem Tisch zu haben. Allesamt interessanten Frauen, die Spannendes zu sagen hatten und die sich allem Anschein nach auch untereinander recht gut verstanden.

 

Dass ich mich mehr und mehr stabilisiere, zeigt sich mir daran, dass ich das Gute mehren kann. Die unergiebigen Therapien wurden reduziert oder gestoppt, das Wohltuende wie spazieren, kaltbaden, sein, kochen und backen darf wieder mehr Raum einnehmen. Die Kunst habe ich aus Selbstfürsorge begrenzt auf eine bis anderthalb Stunden pro Tag. Das ist das Minimum, um seelisch nicht zu verhungern und das Maximum, um alles andere auch noch erledigen zu können. Mit dieser neuen Balance gelang es mir, den Zucker, die Schokolade und den Kaffee wegzulassen. Warum mir das wichtig ist? Schoggi und Kaffee haben Histamin, welches ich nicht vertrage. Und der Zucker fährt mit meiner Stimmung Achterbahn.

 

Wie auch bereits im letzten Jahr haben sich auch z.T. alte Freundschaften in diesem Jahr gelöst. Traumatherapie verändert einem, Selbstliebe ebenfalls, und manche Dinge mag man dann einfach nicht mehr hinnehmen. Als Wassermann-Frau interessieren mich die Menschen grundsätzlich. Doch ich bevorzuge Freunde, die meine Leidenschaft für tiefen Gesprächen teilen, die verfügbar sind und ehrlich kommunizieren mögen. Neue Menschen fanden Eintritt in mein Leben, was mir zeigt, dass Resonanz nicht nur eine Theorie ist.

 

Weihnachten werde ich dieses Jahr mit offenen Türen für meine Freunde feiern. Ich freue mich auf diese Zusammenkunft mit meiner Wahlfamilie.

 

Alles Liebe, Barbara

 


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